Fechten | Trainer Degenfechten

Der akribische Arbeiter in Doppelfunktion

Oleksandr Tykhomyrov trainiert beim WMTV im siebten Jahr die Degenfechterinnen. Die Entwicklung bezeichnet er mit seinem kritischen Blick als Produkt geduldiger Arbeit und günstiger Umstände. Von Guido Radtke

Der Standort Solingen hat sich innerhalb weniger Jahre einen Namen im Fechtsport gemacht. Vor dem Amtsantritt von Oleksandr Tykhomyrov als Degentrainer an der Friedrich-Albert-Lange-Schule beziehungsweise dem kooperierenden Wald-Merscheider TV wäre es undenkbar gewesen, dass an der Wittkuller Straße ein Leistungsstützpunkt eingerichtet werden würde – gleichberechtigt mit den bisherigen Hochburgen Leverkusen und Bonn. "Das alles konnte nur so wachsen auf Initiative eines verrückten Schulleiters", sagt Tykhomyrov. Der Fechtmeister selbst habe es vor sechs Jahren ebenfalls gewollt. "Aber ich wusste nicht, ob es klappen wird. Heute weiß ich immer noch nicht, ob es geklappt hat."

Oleksandr Tykhomyrov, von allen nur Sascha genannt, trainiert im siebten Jahr beim WMTV den weiblichen Degennachwuchs. Der 54-Jährige könnte durchaus stolz darauf sein, was er als Mitglied des Trainerteams in dieser Zeit bewegt hat. Stattdessen beleuchtet der akribische Arbeiter die Entwicklung nüchtern realistisch, eher schon kritisch. "Alle Vereine haben irgendwann eine Krise. Man kann nicht ausschließen, dass es uns auch mal treffen wird." Tykhomyrov formuliert es stattdessen so: "Wir haben eine gute Phase. Aber das Endziel ist noch lange nicht erreicht." Der russische Fechtmeister könnte die Teilnahme an Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen als Perspektive nennen. Das allerdings widerstrebt ihm. "Es gefällt mir nicht, dass immer wieder so locker darüber geredet wird." Derart langfristige Planungen seien nur etwas für die Medien. "Man kann perfekt arbeiten, und trotzdem sind keine Medaillen da. Es gibt viele Fechter, die ebenfalls ihre Chance haben. Und dann spielen mögliche Verletzungen oder die Finanzierung eine bedeutende Rolle."

Es hat Zeiten gegeben, in denen Sascha Tykhomyrov anders gedacht hat. "Ich habe etwa fünf Jahre gebraucht, um das deutsche System zu verstehen und damit umzugehen", gibt er zu. "In Russland zielte alles nur auf den Sport für Erwachsene. Schon bei den Jugendlichen wurden alle Wünsche bezahlt." Daran sei in Deutschland nicht zu denken. "Man muss Geduld haben, weil die Mädchen und Jungen alle zur Schule gehen oder studieren. Wenn Rücksicht genommen wird und die Zusammenarbeit stimmt, dann kann es funktionieren."

Ein Beispiel dafür ist Kim Treudt-Gösser, die als aktuelle Nummer zwei der deutschen A-Jugend-Rangliste vor ihrer ersten Nominierung an einer Europa- oder Weltmeisterschaft steht. "Zum Glück muss ich kein schlechtes Gewissen haben, wenn es darum geht, die vier Fechterinnen zu benennen, die mit nach Israel oder Bulgarien fahren sollen. Es gibt klare Kriterien." Neben der Vereinsarbeit fungiert Sascha Tykhomyrov nämlich auch als Bundestrainer des Kadettinnen. Die Bezeichnung jedoch hört er gar nicht gerne. "Ich begleite den deutschen Nachwuchs", umschreibt er stattdessen seine ehrenamtliche Tätigkeit. "Früher oder später werde ich den Job wohl abgeben müssen." Vor Ort werde er schließlich in Zukunft noch genug zu tun haben.

Quelle: RP

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