13. Baustein: Mädchenförderung in den Naturwissenschaften
Wissenschaftliche Untersuchungen zum Lern- und Leistungsverhalten von Jungen und Mädchen in den verschiedenen Unterrichtsfächern kommen zu den Ergebnissen, dass Mädchen in koedukativen Klassen im Technikunterricht, in den naturwissenschaftlichen Fächern und im Bereich Informatik häufig nicht zu möglichen guten Ergebnissen gelangen. Die durch Sozialisation bedingten Vorerfahrungen in diesen Fächern führen dazu, dass sich Mädchen häufig weniger zutrauen als Jungen, sich daher sehr zurückhalten und oftmals unsicher im Unterricht sind. Dem vermeintlich geschickteren, mehr naturwissenschaftlich wissenden Jungen wird der Vortritt gelassen, sei es im Umgang mit technischen Geräten, beim Experimentieren oder am Computer.
Von daher entschieden wir uns für eine gezielte Förderung der Schülerinnen. Konkret bedeutet dies, dass Mädchen und Jungen gemäß dem Koedukationsprinzip in den naturwissenschaftlichen Fächern gemeinsam unterrichtet werden, aber an getrennten Gruppentischen arbeiten und experimentieren. Damit wollen wir erreichen, dass die Mädchen durch die Erfahrungen in der Schule mit diesen Fächern erkennen, dass sie ohne „Mithilfe“ der Jungen zu hervorragenden Ergebnissen kommen. Wir hoffen, dass mit Hilfe dieses Konzeptes die Mädchen an unserer Schule selbstbewusster und erfolgszuversichtlicher werden, mittelfristig wollen wir durch diese spezielle Förderung günstigere Sozialisationsbedingungen bei der Berufswahl schaffen.
Begleitet wird diese Förderung durch weitere verschiedene Aktivitäten: Jedes Jahr nehmen z.B. Mädchen aus den Jahrgängen 8 bis 10 am „Girls’ Day“ teil. Dabei soll ihr Interesse an Berufen im Bereich der so genannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) geweckt werden.
In Jahrgangsstufe 12 setzen wir dieses Konzept weiter fort. Die Mädchen lernen u.a. Frauen in leitenden Berufen kennen und werden wie die Jungen in einer Berufsinformationsbörse durch Arbeitgeberinnen und von Universitäten über Ausbildungsgänge und Studium informiert.
Dieser Baustein „Mädchenförderung in den Naturwissenschaften“ war der erste, den wir nach etwa 9 Jahren evaluiert hatten. Natürlich wollten wir wissen, ob unser Konzept überhaupt greift. Zwei Fragen standen am Anfang unserer Erhebung:
Welche schulischen Erfolge haben Mädchen in Bezug auf die Schulabschlüsse und die erbrachten Leistungen in den Fächern Biologie, Physik, Chemie, Informatik und Technik im Vergleich zu den Jungen?
Hat die Mädchenförderung der Schule nachhaltige Auswirkungen auf Interessen, auf schulische Erfolge oder auf die Praktikums- und Berufs- und Studienwahl?
Zu diesem Zweck wurden nicht nur in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern, sondern auch in Mathematik Zensuren erhoben; das Wahlverhalten von Mädchen in Bezug auf die WP I-Wahl Naturwissenschaften wurde untersucht und gleichzeitig ein Fragebogen entwickelt, in dem einmal Selbstbewusstsein und Wohlbefinden sowie Vorlieben für Fächer, zum anderen die Berufswahl während des Praktikums und Berufswünsche abgefragt wurden.
Die Ergebnisse der Evaluation haben im Wesentlichen folgende Ergebnisse gezeigt:
- Die Mädchen unserer Schule fühlen sich wohl, weil sie sich durch die pädagogischen Bausteine bestärkt und gefördert fühlen.
- Sie sind selbstbewusst in der Einschätzung ihrer Fähigkeiten in den von uns untersuchten Bereichen (technische Fertigkeiten, Umgang mit dem Computer sowie in ihren eigenen Schulabschlussprognosen).
Betrachtet man das WP I-Fach Naturwissenschaften als Indikator für die Mädchenförderung, so kann man heute feststellen, dass die Förderung greift: Mittlerweile wählen stabil ca. 30% der Mädchen eines Jahrgangs dieses Fach neben den klassischen von Mädchen gewählten Fächern Französisch und Darstellen und Gestalten.
Bei der Notengebung in den naturwissenschaftlichen Fächern liegen die Mädchen in den Fächern Chemie und Biologie bei den Noten 1 bis 3 vor den Jungen, in Physik und im WP I-Fach NW ist die Verteilung ausgeglichen.
Hinsichtlich der späteren schulischen Entwicklung ist die Wirksamkeit der Mädchenförderung nicht deutlich erkennbar. Zwar hat die Zahl der Schülerinnen, die Mathematik als Leistungskurs oder mindestens als Abiturfach gewählt haben, im Vergleich zu den Anfangsjahren unserer Oberstufe deutlich zugenommen, für das Wahlverhalten der Mädchen bezüglich des Physik- oder Chemie-Leistungskurses kann das so aber nicht bestätigt werden. Hier gibt es also durchaus noch Entwicklungspotenzial.